Ich frage mich gerade, ob die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas vielleicht auch andere als wirtschaftliche Gründe hat.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es einige Ängste im Westen, dass da jetzt vielleicht nervöse Militärs einen unruhigen Finger am Abzug haben würden. Der Verlust der Puffer-Republiken zwischen Russland und Deutschland wird sicher dem einen oder anderen Russen schlaflose Nächte bereitet haben.

Ich bilde mir ein, mal eine Geschichte gelesen zu haben, wo es um Tschernobyl ging. Neben Tschernobyl stand ja die Sende-Antenne des russischen Überhorizont-Radars, mit dem man Raketenangriffe frühzeitig erkennen konnte. Als dann Tschernobyl platzte, so die Geschichte, hätten die Amerikaner sich große Sorgen gemacht, dass die Russen ohne ihr Radar in Panik versehentlich irgendwas anderes als Angriff werten würden und haben große Zugeständnisse gemacht. Ich finde nur leider die Details nicht mehr. Ich glaube das war sogar Zugriff auf amerikanische Radardaten.

Jedenfalls... bei der EU war ja die Idee, dass man zukünftige Kriege vermeiden kann, wenn man die Staaten nur alle wirtschaftlich engmaschig genug verzahnt. Wenn alle gegenseitig voneinander abhängig sind, kann sich keiner einen Krieg leisten.

In das Muster hätte ja auch prima reingepasst, sich freiwillig von russischem Erdgas abhängig zu machen, um die Russen zu beruhigen, dass neuerliche militärische Konflikte von uns nicht zu befürchten sind.

Im Moment sieht man an einigen Stellen Einschätzungen ala "die doofen Deutschen haben sich so abhängig gemacht, dass sie Russland jetzt nicht glaubwürdig drohen können". Boris Johnson scheint das zu glauben.

Das kann man aber auch genau andersherum sehen. Unser System funktioniert. Das Ziel war, Krieg zu verhindern. Zumindest an der Stelle hat das Krieg verhindert.

25.01.2022