Gute Nachrichten! Der Antisemitismus ist endlich besiegt! Labour hat Jeremy Corbyn rausgeschmissen!

Und an der Stelle einen schönen Gruß an die Fotoredaktion der DPA, die dafür mal so richtig in der Kiste gegraben hat, bis sie das schlechteste Foto von Corbyn gefunden haben.

Vorher hatte die Equality and Human Rights Commission Labour auf Antisemitismus hin untersucht und jetzt endlich ihren Report vorgestellt (die Untersuchung lief seit Mai 2019). EHRC ist eine Behörde, die mit einem Gesetz von 2006 geschaffen wurde, und sich um Diversity und Fälle von Diskriminierung kümmern soll. Der Report ist also sowas wie ein Audit-Report.

Nun wird so eine Behörde natürlich keinen Report schreiben, dass es kein Problem gibt und alles im grünen Bereich ist, sonst würden sie ja ihre eigene Überflüssigkeit zugeben. Also haben die einen Blablah-Report verfasst, in dem in vagen Worten drinsteht, Labour hätte ja schon irgendwie mehr tun können, um ihre Leute auf Diversity-Schulungen zu schicken und Antisemitismus-Workshops oder so machen können *weihrauchanzünd* *teeaufsetz*

The watchdog said its analysis "points to a culture within the party which, at best, did not do enough to prevent anti-Semitism and, at worst, could be seen to accept it".

Sie geben also selber zu, dass ihr Bericht bloß vages Geraune ist, und sie nicht mal eine handfeste Aussage machen können, wie schlimm es eigentlich ist.

The interim chair of the EHRC, Caroline Waters, released a statement alongside the report, saying the investigation had "highlighted multiple areas" where the party's "approach and leadership to tackling anti-Semitism was insufficient".

Naja, äh, hinterher ist man ja immer schlauer. Außerdem ist das eine ziemliche Nullaussage. Das kann man immer über jeden sagen. Nachdem es öffentliche Vorwürfe gibt, kannst du über jeden sagen, er hätte im Vorfeld noch mehr machen sollen.

Was hat Corbyn denn tatsächlich antisemitisches getan? Wikipedia fasst das so zusammen: Zwei gewählte Abgeordnete haben böse Dinge gesagt (nicht Corbyn!) und wurden daraufhin suspendiert.

Corbyn hat dann getan, was man von jedem Boss erwartet, nämlich sich erstmal hinter sein Personal zu stellen und zu sagen, dass es da möglicherweise Einzelfälle gab aber nicht der ganze Laden faulig ist. Das war Strike 1 gegen ihn.

Dann hat Labour 2017 Hate-Speech per Code of Conduct verboten und sofort angefangen, in Corbyns Vergangenheit (bevor es einen Code of Conduct gab!) nach vorwerfbaren Dingen zu suchen. Sie fanden dann was von 2012. Corbyn war offenbar in irgendwelchen pro-palästinensischen Facebookgruppen aktiv und fand wohl nicht, dass man ein Graffiti auf Zuruf entfernen müsse, nur weil irgendwelche Leute das für antisemitisch hielten. Das Graffiti könnt ihr euch hier angucken. Für mich sieht das erstmal nach Kapitalismuskritik aus mit den Zahnrädern, Schloten und der Dollarnoten-Symbolik mit dem allsehenden Auge im Hintergrund. Das im Vordergrund sieht aus wie ein Monopolyspiel. Ist die Nasengröße das Problem?

Labour hatte dann jedenfalls selber eine Untersuchung durchgeführt und wenig überraschend keine Hinweise dafür gefunden, dass Antisemitismusvorwürfe weniger stringent bearbeitet würden als andere Vorwürfe. Aber das heißt natürlich ähnlich viel wie wenn Trump verkündet, er sei der intelligenteste Mensch im Raum.

Anyway. Der Report dieser Behörde sagt jedenfalls, es gab da Probleme. Corbyn hat daraufhin gesagt, die sollen mal die Kirche im Dorf lassen.

His predecessor Jeremy Corbyn said he did not accept all of the report's findings but expressed the hope that the recommendations would be "swiftly implemented".

He said "anyone claiming there is no anti-Semitism in the Labour Party is wrong" but added that "the scale of the problem was also dramatically overstated for political reasons by our opponents inside and outside the party, as well as by much of the media".

Daraufhin hat Labour Corbyn suspendiert.

In a statement the party said: "In light of his comments made today and his failure to retract them subsequently, the Labour Party has suspended Jeremy Corbyn pending investigation."

Wer sich fragt, wieso Labour so mit ihrem ehemaligen Vorgesetzten umgeht, sei daran erinnert, dass solches Verhalten bei denen Tradition hat.

Update: Als Medienkompetenzübung könnt ihr euch ja auch mal angucken, wie der Tagesspiegel die gleichen Fakten präsentiert.

29.10.2020