Leserbrief zu Weißrussland und der EU:

In Sachen Umgang mit früheren Wahlfälschungen in Belarus waren sowohl Tilo Jung als auch Steffen Seibert nicht gut vorbereitet, es gab schon lange und häufiger Sanktionen der EU gegen Lukaschenko nach Wahlmanipulationen und wegen Menschenrechtsverletzungen, nur hat die EU da insgesamt wenig Hebel, weil es kaum wirtschaftliche Verflechtungen gibt und auch keinen Massentourismus, wie zb in der Türkei.

Lukaschenko ist die EU recht egal, es sei denn er braucht sie gerade um sich von Russland zu emanzipieren. Bei den Wahlen 2015 war eine Zeit der Annäherung, es wurden viele politische Gefangene freigelassen und die EU hat die Sanktionen runtergefahren. Minsk hat im Ukraine Konflikt vermittelt und Belarus war um ein gutes Image bemüht. Jetzt zeigt das Regime sein wahres Gesicht. In dem Zusammenhang das "Polizeirecht" bei uns mit dem aktuellen geschehen in Belarus gleichzusetzen, finde ich verfehlt, die Sicherheitskräfte haben dort Narrenfreiheit, Lukaschenko hat dehnen Straffreiheit zugesichert und die Justiz ist gleichgeschaltet. Bei uns werden wir auch nicht hart festgenommen, weil wir die französische Nationalhymne singen oder mit Kreide auf der Straße malen. Zyperns Sicht hingegen teile ich aber voll und ganz.

Es ging hier auch nicht um Gleichsetzung, sondern es geht darum, dass das Menschenrechte sind, und damit jedem Menschen zustehen. Wenn wir das ernst meinen würden, müssten wir es überall anwenden, auch in Bayern. Menschenrechte sind auch nicht verhandelbar. Da gibt es kein "aber in Belarus ist es noch schlimmer".

Eigentlich.

Der Leserbriefschreiber hat noch ein paar Links mitgeschickt:

https://www.youtube.com/watch?v=ElNCYj825fo (gestern Nacht in Minsk)
https://www.youtube.com/watch?v=B9tm4JdMoBs (9-11.08)
"Lieber Diktator sein als schwul"
EU ruft alle Botschafter aus Weißrussland zurück

Wer das tägliche geschehen gerne mitverfolgen möchte kann das zb ganz gut hier tun: https://www.tut.by/. Google Übersetzer funktioniert erstaunlich gut.

Update: Ein anderer Leser dazu:

Bzgl. der Anmerkung, wir würden nicht wg Kreidemalerei auf den Boden festgenommen (sicher kein Vergleich zu Belarus, aber dennoch), hier zwei Meldungen aus, natürlich, Bayern:

https://www.nordbayern.de/region/wegen-anti-nazi-parolen-aus-kreide-vor-gericht-1.667489
Sie sollen mit Kreide politische Parolen an Fassaden geschmiert haben - dafür landeten vier junge Männer vor dem Amtsgericht Fürth, wurden wegen Sachbeschädigung verurteilt. Für die Jugendlichen ein Skandalurteil: Sie legten Berufung ein und wurden nun freigesprochen.

https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6013/4599633
Am Samstagmittag (16.05.2020) beschmierte ein Mann den Boden des Gewerbemuseumsplatzes mit Kreide. Nach einem kurzen Gespräch mit der Polizei entfernte der 54-Jährige sein Werk wieder mit Wasser und Besen.

https://www.redside.tk/2019/04/22/prozess-wegen-spruehkreide-24-04-1030/
Am 24.04.2019 um 10:30 Uhr werden sich zwei Aktivisten/Berufsschüler vor dem Oberlandesgericht in Nürnberg (Sitzungssaal 26, EG) verantworten müssen für eine Straftat die ihresgleichen sucht.

Der Strafbefehl lautet wie folgt: „Am 30.05.2018 gegen 18:29 sprühten (sic!) der gesondert Verfolgte […] auf das Kopfsteinpflaster vor dem Heimatministerium […] mit orangener „Sprühkreide“ folgenden Text: „Bildungsstreik, 22.06.18“. Das so entstandene Graffiti ließ sich nur unter erheblichem Aufwand und mithilfe einer professionellen Reinigung beseitigen. Der Stadt Nürnberg entstand hierdurch ein Schaden i.H.v. 318,- €, wie der gesondert Verfolgte […] wusste und zumindest billigend in Kauf nahm. Bei diesem Vorhaben unterstützten Sie den gesondert Verfolgten […] durch psychische Hilfe, indem sie (sic!) seinen Tatentschluss unterstützten und Zweifel an der Tatausführung minderten bzw. beseitigten und Fotos von der Tathandlung machten und die Umgebung absicherten.“

LOL :-)

25.09.2020